Die Hirschau

 

Umgeben von der atemberaubenden Bergkulisse der Alpen im schönen Pfaffenwinkel liegt nahe des Lechstausees inmitten von Weideland und Moorwiesen die Hirschau. Ein Platz der Offenheit und der liebevollen Begegnung. Wo man sich unterstützt, wenn Not am Mann ist und füreinander da ist. Wo Neues willkommen geheißen und der Raum gegeben wird, sich zu entfalten. Dieser magische Ort war ausschlaggebend dafür, Priyala – Liebe schenken ins Leben zu rufen. Deshalb will ich einen kurzen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Hirschau und insbesondere der Hirschau 2 geben, die meine neue Heimat geworden ist.

Die Geschichte der Hirschau

Die Ortschaft kann auf eine lange Historie zurückblicken. Um 1150 wurde sie vom Kloster Steingaden als Weiler Hirschau gegründet, mit vier Höfen und zwei Sölden. Die erste schriftliche Erwähnung des Ortes ist auf das Jahr 1234 datiert.

Die Landwirte, die über die Jahrhunderte diese Höfe bewirtschafteten, waren im Lehen. Bis ins Jahr 1594 können die einzelnen Pächter lückenlos nachvollzogen werden. Als das Kloster 1803 aufgelöst wurde, war es den Bauern möglich, Eigentümer zu werden.

Einen traurigen Wendepunkt gab es Ende des 19. Jahrhunderts, als die Hirschau zum Spekulationsobjekt verkam. Die lange währende Kontinuität wurde damit jäh unterbrochen. Der Weiler wurde teils komplett, teils wurden einzelne seiner Objekte gewinnbringend an den Meistbietenden verkauft. In diese Zeit fallen auch verschiedene bauliche Veränderungen; ein Hof brannte komplett ab und wurde nicht wieder aufgebaut.

Hirschau nach Zeiten der Spekulation: Rückkehr zur Stabilität

Ruhe kehrte erst wieder im Februar 1930 mit dem Verkauf der gesamten Hirschau an den Darlehenskassen-Verein-Steingaden ein. Die einzelnen Höfe waren von den vorangegangenen Eigentümern nie als Gesamtbesitz in das Grundbuch eingetragen worden. Deshalb vermaß man die einzelnen Grundstücke zwischen 1930 und 1939 neu und schrieb sie um.

Entscheidend für die weitere Geschichte war das Jahr 1954. Der Darlehensverein veräußerte in dieser Zeit die Hälfte der Hirschau an die Bayerische Landessiedlung. Zwischen 1954 und 1958 stellte sie drei neue Höfe fertig. Diese sollten an Bauern verkauft werden, die bereit waren, sich dort anzusiedeln. Die andere Hälfte gehört bis heute der Raiffeisenbank Steingaden. Neben der Hirschau 2, die man der Familie Sußmann zuwies, erbaute die Landessiedlung auch den Hof mit der Hausnummer 3 direkt gegenüber und die Hirschau 1. Einzig das Gut, das einst im Familienbesitz des Grafen Dürckheim war, ist in seiner alten Form erhalten geblieben. Die Hirschau 2 wurde auf den Grundmauern des ehemaligen Gesindehauses dieses Gutshofs erbaut. Im Zuge der Bauarbeiten der Landessiedlung war letzteres abgerissen worden. Heute zählt die Hirschau fünf Höfe.

Flucht nach Osterberg

1946 wurde die Familie Sußmann von ihrem Hof im Egerland vertrieben. Mutter Franziska landete mit ihren zwei Kindern zunächst in Osterberg, etwa 100 Kilometer nordwestlich der Hirschau. Ihre Tochter Irmgard war zu diesem Zeitpunkt erst elf Jahre alt. Die Sußmanns fanden bei einem Bauern von rauhem Gemüt Unterschlupf, in einem winzigen Zimmer.

Um die Situation der Familie zu verbessern, machte sich Sohn Erwin bald auf die Suche nach einer Ausbildungsstelle und trat schließlich eine Lehre als Zimmerer an. Das ermöglichte ihm, eine bessere Unterkunft in Bernbeuren anzumieten. Die neue Vermieterin war eine warmherzigen Frau, die es gut mit der Familie meinte. Von da an ging alles bergauf. Vater Anton, der im Krieg verschollen war, fand seine Frau Fanny und die beiden Kinder drei Jahre später über das Rote Kreuz. Hierauf pachtete die Familie in Bernbeuren einen Hof mit vier Kühen.

Da Familie Sußmann in der glücklichen Lage war, nachweisen zu können, dass sie vormals im Egerland einen Hof besessen hatte, bekam sie von der Bayerischen Landessiedlung den Bauernhof in der Hirschau 2 zugewiesen. Über viele Jahre zahlte man den Hof ab.

Ein Hof in der Hirschau: steiniger Weg ins Glück

1958 heiratete Irmgard den gebürtigen Augsburger Alfred Kinzelmann, ein Jahr später zogen sie in die Hirschau. Alfred hatte in Augsburg Schreiner gelernt. Bevor er aber endgültig auf den Hof in der Hirschau kam, war er bei der Bundeswehr. Während dieser Zeit ĺebte Irmgard mit ihren Eltern allein auf dem Hof. Obwohl sich Alfred hätte verpflichten können, kehrte er 1963 vom Bund zurück. Er wollte Bauer sein.

Eigentlich hatte Anton Sußmann vor, den Hof seinem Sohn Erwin zu vermachen. Im Egerland wäre dies der normale Lauf der Dinge gewesen. Doch Erwin hatte andere Pläne und so war es an Irmgard, den Hof zu übernehmen.

Dass Alfred kein Bauer war, führte zu vielen Spannungen und Anton konnte seinen Schwiegersohn nie wirklich akzeptieren. Für Irmgard war es eine schwere Zeit, da sie stets zwischen Alfred und ihren Eltern stand. Erwin, der in Weilheim parallel ein zweites Haus baute, holte seine Eltern nach sechs Jahren des Zusammenlebens in der Hirschau schließlich zu sich.

Irmgards Vater glaubte nicht an den Erfolg des jungen Paares und gab ihnen ein halbes Jahr Zeit, sich zu beweisen. Er rechnete damit, dass Alfred und Irmgard den Hof bis dahin heruntergewirtschaftet hätten. Doch sie schafften es. Und als Entschuldigung spendierte Anton eine Kuh.

Neues Leben in der Hirschau

Der Kindersegen des frisch vermählten Paares ließ nicht lange auf sich warten. 1959 kam der erste Sohn Manfred zur Welt; seine drei Brüder Klaus, Helmut und Rainer folgten in geringem zeitlichen Abstand.

Nachdem die ersten Hürden genommen waren, mussten Irmgard und Alfred die dreijährige Probezeit der Landessiedlung meistern: noch einmal zeigen, dass sie fähig sind, den Hof zu bewirtschaften. Aber alles lief gut und zum Kontrolleur der Landessiedlung knüpften sie bald ein freundschaftliches Band. Später übernachtete er sogar bei den Kinzelmanns, wenn er in der Gegend war.

Als Irmgard und Alfred den Hof übernahmen, mussten sie mit fünf Milchkühen über die Runden kommen. Damit sich die junge Familie etwas leisten konnte, arbeitete Alfred zusätzlich viel als Zimmerer am Bau. Über die Jahre steigerte sich die Zahl der Kühe auf 25. Als die Kinzelmanns die Milchwirtschaft 1989 aufgaben, waren es 50 Stück an der Zahl, das Jungvieh mitgerechnet.

Ein Ort der offenen Begegnung und Gastfreundschaft

Mit viel Fleiß und Liebe gestaltete Familie Kinzelmann den Hof über die Jahre zu dem wunderschönen Ort, der er heute ist. Den zweiten Stock wandelten sie zur Ferienwohnung, die Irmgard zusätzlich zu all der Arbeit auf dem Hof und mit den Kindern vermietete. Damit sich die Gäste noch wohler fühlten, baute man später einen stattlichen Balkon an, der Zweite im ersten Stock folgte wenige Jahre später.

Die Offenheit und Herzlichkeit, mit der man in der Hirschau 2 heute noch empfangen wird, war wohl auch für den Erfolg der Ferienwohnungen verantwortlich. Bereits 1964 beherbergte Irmgard die ersten Gäste. Damals war das Konzept “Ferien auf dem Bauernhof” noch in den Kinderschuhen. Über Inserate im gleichnamigen Katalog zog es Feriengäste aus München und ganz Deutschland in die Hirschau. Von da an ging es der jungen Familie finanziell immer besser.

Vielen Besuchern gefiel der Aufenthalt so gut, dass sie immer wieder in die Hirschau zurückkehrten. Erwachsene Kinder ehemaliger Gäste reisten später mit ihren eigenen Kindern an, um ihnen zu zeigen, wo sie früher Urlaub gemacht haben. Eine sehr bereichernde Erfahrung, an die sich Irmgard gerne zurückerinnert.

Dass die Hirschau so ein besonderer Ort ist, liegt aber auch daran, dass der Zusammenhalt der Hirschauer immer da war. Alle haben von Null angefangen und nur gearbeitet. Wenn eine Kuh gekalbt hat oder es sonst irgendwo Hilfe brauchte, waren die Nachbarn immer zur Stelle. Das ist auch heute noch so, in einer Zeit, in der das oft nicht mehr selbstverständlich ist.

Sohn Manfred übernahm den Hof im Jahr 2000 und formte die Hirschau weiter zu einem Ort der Transformation. Neue und kreative Ideen sind stets willkommen und werden direkt in die Tat umgesetzt. So auch mein Herzensprojekt Priyala – Liebe schenken, das Dank vieler helfender Hände an diesem einzigartigen Platz Wirklichkeit wurde. Einem Ort der Schaffenskraft und Inspiration, an dem alles möglich ist.

Quelle zur Chronik der Hirschau: Max Zwißler